Unsere Erfahrungen mit Ritalin & Co.

Wir sind der Meinung, dass ADSler nicht grundsätzlich krank sind, jedoch Unverständnis von wichtigen Bezugspersonen sowie des Betroffenen sich selber gegenüber zu Krankheits-Symptomen führen kann.

Die Meinungen zur Anwendung von Medis wie Ritalin, Concerta & Co. finden wir teilweise polemisch und oberflächlich. Aufgrund unserer persönlichen Erfahrungen (ein erwachsener und ein schulpflichtiger ADSler) kann eine medikamentöse Unterstützung sehr hilfreich sein. Selbstverständlich ist mit Ritalin allein noch nichts getan!

Verständnis, Annahme, Geduld & Unterstützung

Wir stimmen mit den Kritikern soweit überein, dass Verständnis, Annahme, individueller Freiraum, Geduld und gutes Coaching als Erstes dringend notwendig sind! Dies braucht übrigens jeder Mensch und der ADSler ganz besonders.

Wir befinden uns in der glücklichen Lage, mit unseren zwei familieneigenen ADSlern verschiedenste Situationen kennengelernt zu haben wie z. B. aus der Sicht der Mutter oder des Kindes, vor und nach der Abklärung als Kind und Erwachsener, mit und ohne Medis und das Wichtigste, die Veränderung im Verständnis und Umgang!

Sorgfalt & individuelle Situation

Die sorgfältige und umfangreiche Abklärung ist unseres Erachtens von grösster Wichtigkeit. Es gibt viele Gründe für Hyperaktivität, Unkonzentriertheit, Motivationsschwierigkeiten, Impulsivität usw. Und nicht jeder ADSler hat die gleichen Problemen. Diese sind so unterschiedlich wie die Menschen selber. Deshalb "benötigt" auch nicht jeder ADSler medikamentöse Unterstützung.

Der einzige uns bekannte Nachteil ist der verminderte Appetit während der Wirkungsdauer. Deshalb muss vermehrt auf eine angepasste Ernährung geachtet werden. Jedoch erachten wir es wieder als positiv, dass unsere ADSler mit den Medis bedeutend weniger zu stimulierende Genussmittel wie Süssigkeiten und beim erwachsenen zusätzlich Kaffee, Energy-Drinks, Alkohol usw. greifen.

Wie bei jedem Medikament ist eine gründliche Aufklärung wichtig. Der Entscheid dafür oder dagegen sollte auf der individuellen Situation gründen. Ein pauschales Pro oder Contra ist wie oft nicht sehr hilfreich.

Mit oder ohne Medis?

Unsere zwei ADSler sind beide sehr froh und dankbar, dass es Ritalin & Co. gibt. Es hilft ihnen primär, das Gedanken-Laufband zu regulieren und somit innerlich ruhiger zu werden. Ebenso unterstützt die Wirkung das gezieltere Wahrnehmen der vielen Informationen des Umfelds. Da die ADSler grundsätzlich mehr Umwelteinflüsse wahrnehmen, ist dies besonders unter informationsintensiven Lebenssituationen sehr hilfreich.

Ab und zu wird auch bei uns vergessen das Medi einzunehmen und was passiert dann? Machen sich wie von manchen befürchtet Entzugserscheinungen bemerkbar? In unserer Familie jedenfalls nicht! Nichts passiert; okay das Gedanken-Laufband ist wieder da, ebenso die Unruhe. Ist ja nicht weiter schlimm, weil seit der Abklärung auch andere Massnahmen umgesetzt worden sind. Vielleicht ist an diesem Tag die Leistung in der Schule oder im Familienalltag nicht gerade die höchste, jedoch ab und zu mal zwischendurch nicht auffallend.

Doch fällt die medikamentöse Hilfe über einen längeren Zeitraum wieder weg, würde der Stresspegel allgemein wieder steigen und vermehrte Misserfolge nach sich ziehen, weil um die gleiche Leistung halten zu können, mehr Aufwand, Zeit und Energie notwendig wären. Manchmal nützt alles Verständnis und gutes Zureden nichts mehr, vorallem wenn die Gesellschaft auf Leistung und Produktivität pocht.

Unsere Gesellschaft & ihre Ansprüche

Und das ist für uns auch ein wichtiges Argument für Ritalin & Co. Wir befinden uns in einer sehr schnelllebigen Gesellschaft mit hohen Leistungsanforderungen. Vielen fehlt schlicht und einfach die Zeit für (genügend) Müssiggang, das entspannte und von Pflichten freie Ausleben. In unserer Familie ist die freie selbstgestaltete Zeit, vorallem ohne Zeitdruck, ein grosses Bedürfnis. Sicherlich kann jeder seinen Alltag noch selber beeinflussen, doch gewisse Pflichten sind unverrückbar. Wir sollten Hilfe anbieten und annehmen, wo wir können.

Jetzt konntest Du einiges über unsere Erfahrungen mit Ritalin, Concerta usw. sammeln. Vielleicht werden unsere zwei ADSler die Medis nicht lebenslänglich nehmen. Wer weiss, wie die Anforderungen und das Leben in der Zukunft aussieht?

Kinderzeichnung Delfin mit Junges im reich bewohnten Meer
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21.08.10 Ritalin & Co. ergänzt
23.06.10 Links ergänzt